Geschichte der Frühen Neuzeit by Maissen Thomas
Autor:Maissen, Thomas
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406654732
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2015-01-20T16:00:00+00:00
4. Das britische Jahrhundert: Gewaltenteilung
und Mächtegleichgewicht
Am 5. November 1688 landete der niederländische Statthalter Wilhelm III. von Oranien mit seinen Truppen im Südwesten Englands. Der GroÃteil stammte aus den Niederlanden und zog gut einen Monat später in London ein, von wo der bisherige König Jakob II. nach Frankreich entfloh. Dennoch ging das Ereignis nicht als schmachvolle Niederlage in die englische Geschichte ein, sondern als Glorious Revolution â die angeblich unblutige Grundsteinlegung der modernen, liberalen Weltmacht GroÃbritannien. Wilhelm selbst legitimierte seine Invasion dagegen mit einer konservativen Beschwichtigung: Er beschütze die bestehenden Gesetze, Freiheitsrechte und Bräuche (laws, liberties and customs), das freie Parlament und die protestantische Religion. Zugute kam dem Niederländer, dass Jakob II. vor seiner Flucht das GroÃsiegel des Reiches in der Themse versenkt hatte. Gegen seine Absicht interpretierten Juristen dies als Abdankung, so dass ein provisorisches Parlament Wilhelm und seine Frau â und Cousine â Maria gemeinsam krönen konnte, ohne dass dies als Usurpation gelten musste: Maria war die Tochter Jakobs II., ihre Ehe also ein Beweis für den ökonomischen und politischen Aufstieg der Niederlande und ihrer Statthalter. In Maria herrschte die Stuart-Dynastie fort, auch wenn die Anhänger des geflohenen Königs, die Jakobiten, dies bestritten und bis 1746 periodisch Aufstände oder Invasionsversuche unternahmen.
Der Umbruch der Glorious Revolution war von Dauer. Das unterschied sie vom republikanischen Commonwealth, das Oliver Cromwell nach der Hinrichtung Karls I. 1649 geschaffen hatte, weil dieser als Tyrann Recht und Freiheit seines Volkes bekämpft habe. Karl I., der in Personalunion über Schottland und England herrschte, hatte die anglikanische Staats- und Bischofskirche als Herrschaftsinstrument in beiden Reichen etablieren wollen. Er versuchte, den calvinistisch-presbyterianischen Widerstand der Schotten militärisch zu brechen, ohne die dafür nötigen Gelder vom â englischen â Parlament bewilligen zu lassen. Konnte Karl I. kraft seiner «Prärogative» ohne Rücksicht auf das Gesetz absolutistisch regieren, oder musste er die Mitspracherechte des zweikammrigen Parlaments respektieren, mit ernannten Hochadligen im Oberhaus (House of Lords) und gewählten Vertretern der steuerzahlenden Gemeinden im Unterhaus (House of Commons)? Im englischen Bürgerkrieg unterlag Karl I. Aber auch das Commonwealth überdauerte Cromwells Tod nur kurz. Die Monarchie wurde 1660 unter Karl II., dem Sohn des hingerichteten Karl I., restauriert. Erhebliches Spannungspotenzial lag weiterhin im Verhältnis der nur in der Person des Königs verbundenen Reiche England, Irland (Personalunion seit 1541) und Schottland (seit 1603). Alle Völker waren konfessionell gemischt: In Irland dominierten die Katholiken, in Schottland die calvinistisch-presbyterianische Kirk und in England die anglikanische Staatskirche. Sie sah sich nicht nur einer vor allem im Adel einflussreichen katholischen Minderheit gegenüber, sondern in ihrer bischöflich-hochkirchlichen Verfassung zahlreichen, meist calvinistisch geprägten Gemeinden von «Dissentern». Der König bekämpfte diese Abweichler, etwa mit dem Act of Uniformity (1662), denn er fürchtete ihre Selbstbestimmung und ihren Separatismus weg von der Staatskirche, deren weltliches und geistliches Haupt er war.
Dem hierarchischen Staats- und Kirchenverständnis der Stuart-Könige entsprach dagegen ein nationalkirchlicher Katholizismus, wie ihn Ludwig XIV. zugleich mit der Vertreibung der Hugenotten furchteinflöÃend zelebrierte. Mit dem Vorbild des französischen Vetters vor Augen bekannte sich Karl II. 1685 auf dem Sterbebett ebenso zur alten Kirche wie schon zuvor sein Bruder und Nachfolger Jakob II.
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